Angkor und Watte
July 3, 2023Stadtgeschichten – Teil 1
July 3, 2023Sylvester in Warschau. Zugegeben, die Hauptstadt Polens ist auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade der offensichtlichste Ort um den Jahreswechsel zu zelebrieren. Auf den zweiten, dritten oder vierten Blick oder einfacher gesagt, wenn man das selber mal erlebt hat, jedoch eine sehr empfehlenswerte Destination – sei es an Sylvester oder auch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.
Kurz zu den Reisefakten: Ab Zürich am 27.1213, zurück ab Warschau Chopin am 1.1.14, jeweils mit SWISS/Helvetic, Flugdauer ca. 1 ¾ Std. Fünf Übernachtungen im Hotel ‚Bristol‘.
Flug und Transfer zum Hotel verlief ohne Probleme. Mit dem Bus Nr. 175 kommt man vom Flughafen ‚Chopin‘ in rund 45 Minuten ins Zentrum beziehungsweise zur Altstadt. Sehr komfortabel: Das Hotel Bristol hat sogar eine eigene Haltestelle. So konnten wir um ca. 18:00 bereits unser Zimmer beziehen und uns gemütlich auf die Suche machen nach Speis und Trank.
Das Hotel Bristol gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Hotels in der Stadt und beherbergte seit seiner Errichtung 1899 die verschiedensten Berühmtheiten wie etwa Enrico Caruso, Woody Allen, J.F. Kennedy, Richard Nixon, Pablo Picasso oder Tina Turner. Dank äusserst vorteilhaften Jahresend-Angeboten war es auch uns ‚Normalsterblichen‘ möglich, ausnahmsweise mal ganz vornehm zu logieren. So war das wohl auch der erste Städtetrip, bei dem wir uns zeitweise doch leicht ‚underdressed‘ fühlten, insbesondere als wir beobachten konnten, wie sich die angemeldeten Hotelgäste in Smoking und Abendkleid im Ballsaal zur rauschenden Sylvesterparty versammelten. Aber ansonsten ist auch das Bristol auf Gäste jeglicher Couleur angewiesen, so dass man das gut ausgestattete Frühstücksbuffet auch locker in T-Shirt und Jeans geniessen kann ohne weiter aufzufallen. Neben den verschiedenen Annehmlichkeiten, die wir während unseres Aufenthaltes profitieren konnten, (leider gehört free WiFi im Zimmer nicht dazu) war wohl vor allem die absolute Top-Lage einer der grössten Vorteile des Bristols. Das Hotel liegt an der ehemaligen Prachtstraße Krakowskie PrzedmieÅ›cie und grenzt direkt an den Präsidentenpalast. In nur wenigen Gehminuten gelangt man in die Altstadt, von wo man mit Tram und Metro schnell auch das moderne Zentrum mit den grossen Shoppingzentren oder auch andere Stadtteile erreichen kann.
Für den ersten Abend begnügten wir uns jedoch mit einem Schlummertrunk begleitet von ein paar ‚Pierogi‘ in einem traditionellen ‚restauracja‘ gleich über der Strasse.
Weihnachtliche Stimmung vor dem ‘Bristol’
Der nächste Morgen begrüsste uns mit strahlendblauem Himmel. Auch die Temperaturen bewegten sich mit etwa 4 –9 Grad im angenehmen Bereich für diese Jahreszeit. Überhaupt hatten wir mit dem Wetter sehr viel Glück. Während der ganzen Zeit unseres Aufenthalts war das Wetter nie richtig schlecht. Mehr ein Mix aus Wolken, Hochnebel, Sonne und etwas wenig Nieselregen.
Wir nutzten das schöne Wetter also mit einer ausgiebigen Besichtigung der Altstadt mit Start auf dem ‚Plac Zamkowy‘, dem grossen Platz vor dem ehemaligen Königsschloss. Das Besondere an der Warschauer Altstadt ist vor allem auch die Tatsache, dass es eigentlich gar keine ‚echte‘ Altstadt ist, sondern eine originalgetreu Rekonstruktion des im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Originals. Als ahnungsloser Besucher merkt man allerdings nicht wirklich was davon. Das Ganze sieht sehr authentisch und wirklich malerisch aus. Vorbei an verschiedenen Kirchen und schönen Häuserzeilen gelangt man zum zentralen Marktplatz mit einem kleinen temporären Eisfeld, das auch rege benutzt wurde und einem kleinen Weihnachtsmarkt. Am anderen Ende der Altstadt befindet sich der ‚Barbakan‘, ein mittelalterlicher, der Stadtmauer vorgelagerter Befestigungsbau – oder zumindest die Reste davon. Ein paar Gehminuten der alten Befestigungsmauer entlang, stösst man auf das Denkmal des Kleinen Aufständischen, das dem Gedenken an die im Warschauer Aufstand 1944 gefallenen Kinder gewidmet ist. Die Geschichte und v.a. die Gräuel des Zweiten Weltkrieges sind in Warschau noch sehr lebendig und allgegenwärtig. Sei das in Form von verschiedenen Museen, Gedenkstätten, Mahlmahnen oder auch von Gedenkfeiern, wie wir auch an diesem Tag eine miterleben konnten. Auf einem grossen Platz vor dem Denkmal des Unbekannten Soldaten etwas ausserhalb der Altstadt versammelten sich eine grosse Anzahl von Leuten mit Fahnen und gekleidet in Uniformen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges – und in Pfadfinder-Uniformen, da die Pfadfinder offenbar auch massgeblich am Warschauer Aufstand beteiligt waren. Begleitet wurden sie von einem Militärspiel und einer kleinen Gruppe historischer Kavalleristen hoch zu Ross. Die Einheimischen waren sehr interessiert und standen lange an, um sich ein Teller Gratissuppe aus der Gulaschkanone zu ergattern. Auf dem Rückweg marschierten wir durch das neue Zentrum, vorbei am Kulturpalast und entlang einer der grösseren Shoppingzentren.
Wintersport auf dem Marktplatz
‘Interaktive’ Gedenkfeier für die Gefallenen
Der folgende Tag präsentierte sich dann leider etwas grau – aber immer noch trocken und nicht sehr kalt. Eigentlich nicht allzu schlecht für den geplanten Zoobesuch im Stadtteil ‚Praga‘ auf der anderen Seite der Weichsel. Zu erreichen ist der Zoo ganz einfach mit dem Tram vom Königspalast über die Weichsel, erste Haltestelle nach der Brücke. Dann noch einen kurzen Marsch durch den Park und schon ist man an einem der Eingänge. Bei seiner Eröffnung 1928 noch der grösste Tierpark Europas, hat auch der Warschauer Zoo hat in der Zeit des Zweiten Weltkriegs sehr gelitten. Die seltenen Arten wurden nach Deutschland verfrachtet und die meisten anderen wurden aus der Not heraus schlicht und einfach verspiesen. Inzwischen hat der Zoo wieder 550 verschiedene Arten mit rund 3‘500 Exemplaren. Man kommt den Tieren teilweise recht nahe – was sehr schön ist. Einzelne Gehege erscheinen jedoch etwas altertümlich und dürften noch tiergerechter gestaltet werden – aber offenbar ist da was im Tun. Nach dem Zoobesuch benutzten wir die Gelegenheit auch gleich den aufstrebenden Stadtteil jenseits der Weichsel noch etwas zu erkunden. So oberflächlich gesehen konnten wir jedoch nicht allzu viel Interessantes entdecken – aber so ähnlich würde es wohl auch einem Tagestouri im Zürcher Kreis 4 ergehen. Zurück ging es dann zu Fuss mehr oder weniger der Weichsel entlang, bis wir wieder in die Altstadt, um auf dem’Königsweg‘ der gemäss Guide besten Pierogeria (Pierogarnia na Bednarskiej) einen Besuch abzustatten. Das kleine rustikale Lokal ist jeweils nur bis 20:00 geöffnet (Selbstbedienung) und bietet eine Vielzahl verschiedener Pierogi-Sorten an. Wir bestellten uns eine gemischte Platte mit 14 Pierogi für rund Fr. 7.- Hmm, fein – besonders die scharfen mit Paprika.
Kleine und grosse Exemplare im Zoo
Am Montag stand eigentlich ein bisschen Shoppen auf dem Programm. Da sich aber erneut ein blauer Himmel zeigte, fuhren wir zuerst noch mit der U-Bahn Richtung Norden, um uns dort die beliebte Wohngegend ‚Zoliborz‘ (entstanden aus dem französischen jolie bord) mit der Zitadelle anzusehen. Die Zitadelle scheint im Moment jedoch gerade in einer Restaurationsphase zu sein. Jedenfalls hat das ein wenig wie eine Baustelle gewirkt. Da es dann doch etwas kälter und trüber wurde, zogen wir uns dann wie geplant in das moderne Shoppingcenter ‚ZÅ‚ote Tarasy‘ (goldene Terrassen – wegen der mehrstöckigen Architektur) zurück. Diese Idee hatten offenbar auch noch sehr viele andere Leute. Ziemlich voll und schlussendlich nicht wirklich anders als irgendein anderes grosses Shoppingcenter in einer europäischen Stadt – die Sushi-Box am Mittag war allerdings ausgezeichnet ;-). Um kulinarisch beim Thema zu bleiben genossen wir am Abend zurück in der Altstadt-Gegend ein sehr feines Chinesisches Essen.
Die schönste U-Bahn Station Europas
Für den letzten Tag des Jahres hatten wir uns nicht mehr allzu viel vorgenommen – schliesslich wollten wir ja einigermassen fit sein, um den Jahreswechsel auf dem grossen Platz vor dem Königsschloss miterleben zu können. So liessen wir uns, anstelle einer Stadtrundfahrt vom Bus 180, der von Norden nach Süden quer durch die Stadt fährt, ein wenig durch Warschau kutschieren. An der südlichen Endstation, in Wilanów stiegen wir aus und besichtigten dort noch das ‚Palais Wilanów‘, auch bekannt als das polnische Versailles. Nicht allzu gross, aber sehr schön angelegt mit einer idyllischen und weitläufigen Parkanlage. Danach ging’s mit dem Bus wieder zurück Richtung Norden, wo wir beim ganz neu erstellten Museum der Geschichte der polnischen Juden nochmals ausstiegen. Da es an diesem Tag jedoch geschlossen war (Dienstag scheint in Warschau der offizielle Museums-Ruhetag zu sein), konnten wir eigentlich nur die Architektur des modernen Gebäudes bewundern. Ebenso wie das Gebäude des nicht weit entfernten Obersten Gerichtshofs mit seiner erstaunlichen Bauweise und den grossen Spiegelglasfassaden. Gleich daneben befindet sich das eindrückliche Denkmal des Warschauer Aufstands. Anschliessend spazierten wir zurück ins nicht weit entfernte Hotel, um uns für Sylvester noch etwas auszuruhen. Gegen Abend machten wir uns gut eingepackt (inzwischen war es das Klima einiges winterlicher geworden) auf die Suche nach einem Sylvester-Essen. Schon recht bald mussten wir allerdings feststellen, dass wir den Ansturm auf die Restaurants unterschätzt hatten und alles, was einigermassen einen guten Eindruck machte und erreichbarer Nähe lag hoffnungslos überfüllt war oder eine Reservierung vorausgesetzt hätte. Leicht frustriert aber fest entschlossen gebührlich auf das Neue Jahr anstossen zu können, suchten wir uns in der sehr gediegenen und stylishen Wine Bar des Hotels Bristol ein gemütliches Plätzchen und liessen das alte Jahr bei einem feinen ‚Bubbly‘ und Bar-Food ausklingen. Kurz vor Zwölf machten wir uns auf zum Platz vor dem Königsschloss, um dort mit Tausenden anderen den Jahreswechsel zu zelebrieren und dabei das grosse Feuerwerk beim Olympiastadion zu bestaunen. Während rund ¾ Stunden krachte und blitzte es im Himmel um den Königsplatz herum und in der Ferne neben dem Olympiastadion. Trotz der grossen Menschenmasse, in der immer wieder mal jemand ein Fläschchen Schampus zückte zum Prosten, verlief alles sehr friedlich und gegen ein Uhr war der Platz auch schon wieder halb leer – was wohl auch auf die ziemlich beissende Kälte zurückzuführen war.
Museum der Geschichte der polnischen Juden
Denkmal des Warschauer Aufstands
Festliche Stimmung auf dem Königsplatz
Am 1. Januar traten wir gegen Mittag wieder die Rückreise in die Schweiz an. Neben wiederum vielen schönen, spannenden und verblüffenden Erlebnissen vor allem mit der Erkenntnis: Warschau ist eine schöne, vielseitige und interessante Stadt, die viel zu bieten hat. Also definitiv eine Reise wert.